Mit den siebziger Jahren beginnt der Niedergang in Kalk, der letzte verheerende Einschnitt. Arbeitsplätze werden aus übergeordnetem Konzerndenken vernichtet, Produktionsüberkapazitäten „bereinigt”, veraltete Industrieanlagen aufgegeben, nicht modernisiert. Kleine und mittlere Betriebe müssen schließen.
Über Alternativen wird lange nicht nachgedacht. Erfahrungen liegen brach, Menschen mit hohem Ausbildungsstand, qualifizierte Facharbeiter – durchaus in der Lage neue Produktionsverfahren zu erlernen – stehen auf der Straße.
Die in den siebziger Jahren einsetzende weltwirtschaftliche Depression wurde ab 1974 in der Bundesrepublik noch verstärkt durch Strukturprobleme in der Stahl-, Kohle-, Textil- und Bauindustrie. In der Chemiebranche waren davon die Sparten Düngemittel, Chemiefasern und Pflegemittel betroffen.
Eine bis jetzt nicht dagewesene Rationalisierungswelle, verschärfte die Situation und hält bis in die späten 90er Jahre an. Auch die zwischenzeitlichen wirtschaftlichen Aufschwünge (1976, 1980, 1986, 1990) änderten daran nichts. Dies lag auch an der Normalisierung des Inlandbedarfs, da nach dem Wiederaufbau in den 50er und 60er Jahren nun eine Sättigung der Binnennachfrage eingetreten war.
Kalk, ein Kölner Vorort, der am stärksten industriell geprägt war, litt auch am meisten unter dem Arbeitsplatzabbau. Viele Betriebe fielen der Wirtschaftskrise zum Opfer oder wurden von den Konzernen dichtgemacht
1978 wurde das Werk Kalk der Metallgießerei Peter Stühlen geschlossen. Mehrere Hundert Arbeitsplätze gingen verloren.
1979 schloß die Stahlbaufirma Albert Liesegang, 370 Menschen wurden entlassen.
1983 meldete die Akkumulatoren-Fabrik Gottfried Hagen AG Konkurs an, 530 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz.
Seit 1983 baute die KHD 3.800 Arbeitsplätze ab.
Von den 2.400 Arbeitsplätzen 1959 bei der CFK waren 1992 nur noch 680 vorhanden. Ende 1993 stellte die Fabrik ihre Produktion ganz ein. Damit entfielen auch noch die verbliebenen Arbeitsplätze.
Hier kamen mehrere Faktoren zusammen : Seit Ende des 2. Weltkrieges wurden in dem Kalker Werk im Prinzip die gleichen Produkte hergestellt, keine innovative Forschung betrieben, kein neuer Markt eröffnet.
Auf der einen Seite gab es die Düngemittelproduktion mit Säure und Ammoniak und auf der anderen Seite die Sodaherstellung. Es gab zwar von Mitte der 70er Jahre bis Anfang der 80er den Ausflug in die Bromproduktion. Aber die Einwohner von Kalk können froh sein, daß diese Abteilung wieder geschlossen wurde. Ein Brand hätte schlimmere Ausmaße als die Sevesokatastrophe gehabt.
Als die Salzdetfurth AG 1962 die CFK voll übernahm – später wurde die Mutterfirma über mehrere Wege von der BASF geschluckt – ging es nur noch um Marktbereinigung. Ein altes Werk, dazu noch mitten in einem Wohngebiet war unrentabel, mußte geschlossen werden. Zuerst wurde die Düngemittel-Produktion 1988 eingestellt, später das ganze Werk.
1996 wurde die inzwischen von KHD getrennte Traktorenfabrik Deutz Fahr geschlossen. 600 Beschäftigte mußten sich einen neuen Arbeitsplatz suchen.
Fast 8.500 Industriearbeitsplätze wurden in Kalk seit Mitte der 70er Jahre abgebaut, die Arbeitslosenquote liegt in diesem Vorort inzwischen bei über 25 Prüzent.
Besonders betroffen waren davon die ausländischen Beschäftigten, die in den metallverarbeitenden und chemischen Betrieben überproportional vertreten waren. Oft waren sie zuerst arbeitslos. Viele kehrten in ihre Heimatländer zurück. Trotzdem liegt der Arbeitslosenanteil bei ihnen überdurchschnittlich hoch.
Klaglos nahmen die Beschäftigten die Schließungen nicht hin. Sie wehrten sich. So gab es schon Anfang der 80er Jahre Demonstrationen. Im Sommer 1996 organisierten die Beschäftigten von Deutz-Fahr eine große Demonstration gegen die Schließung ihres Werkes. Über 1.000 Menschen beteiligten sich.
Die Zukunft – sie liegt im Dienstleistungsbereich und neuen Techniken. Kalk hat eine Chance, aber es muß noch viel getan werden.