Warum ein Projekt zu einem Friedhof?
Vor einiger Zeit wurde das Anliegen an die Geschichtswerkstatt herangetragen, sich an der Restaurierung eines Kriegerdenkmals auf dem alten Kalker Friedhof finanziell zu beteiligen. Nach längerer Diskussion in der Mitgliederrunde kam man zu der Überzeugung, dass es nicht im Sinne der Geschichtswerkstatt sein könne, die Glorifizierung kriegerischer Ereignisse zu restaurieren. Nach ihrem Selbstverständnis könne eine Vereinigung, deren Aufgabe es sei, Geschichte von unten, die Geschichte des Alltags, der Arbeiter und des „kleinen Mannes“ zu schreiben, nicht Verherrlichung des Krieges betreiben, der stets den Reichen und Mächtigen dient, und die Armen und Schwachen trifft und vernichtet. Wenn es sich auch um ein historisches Denkmal handele, wolle man sich nicht an derartiger Sanierung beteiligen.
Lieber wollte man sich konkret um den Friedhof kümmern, der insgesamt eine historische Rolle in und für Kalk spielte. Für ihn wollten wir uns einsetzen und ihn der Kalker Bevölkerung näher bringen. Hierzu machten Mitglieder der Geschichtswerkstatt dann zunächst einmal eine Ortsbegehung. Diese ergab, dass sich der Friedhof in einem recht jämmerlichen Zustand befindet: Die Wege waren verwachsen, Grabstätten überwuchert, in den Ecken lag Müll und die Freiflächen waren von Brennnesseln in Besitz genommen. Der Vorschlag, als erstes einmal Aufzuräumen und Ordnung in das Areal zu bringen, wurde begeistert aufgenommen. Dies bedeutete aber auch, endlich einmal etwas „Handfestes“ zusammen anzugehen und mit Hacken, Sägen und Sensen der „Grünen Hölle“ Einhalt zu gebieten. Schon nach der ersten Aktion wurden eine Reihe von Gräbern freigelegt und Inschriften entziffert. Nach einem weiteren Arbeitseinsatz hatten wir 53 Grabstätten bzw. der Überreste ausfindig gemacht und auf einem Lageplan kartiert. Einige Namen auf den Steinen verwiesen auf Persönlichkeiten der Kalker Geschichte. Hinweise, denen wir nachgehen wollten. Bei unseren Rodungs- und Gartenarbeiten hatte uns das städtische Grünflächenamt unterstützt und die Mitarbeiter waren zwischenzeitlich auch aktiv geworden, so dass der Friedhof nun eine parkähnliche Gestalt angenommen hatte und gut begehbar war. Wir hatten bei unserer Suche nach Spuren in die Vergangenheit selbst Spuren hinterlassen.
„Spuren hinterlassen…“
hieß nun zufällig im Jahre 2007 das Motto des Projektwettbewerbs der Stiftung KalkGestalten. Was konnte diesem Motto besser gerecht werden, als die geplante Dokumentation unserer Arbeit auf dem alten Friedhof? Selbstverständlich formulierten wir einen Förderantrag, der im Wesentlichen folgende Projektziele und Inhalte wiedergab:
Projekt: Spuren in die Vergangenheit – Der Alte Kalker Friedhof
„Das Projekt Alter Kalker Friedhof der Geschichtswerkstatt will einen vergessenen Teil des alten Kalks wieder zugänglich machen. Das Friedhofsareal, heute parkähnlich, aber verwildert und abseits, soll eine Funktion erhalten. Ziel ist es, als Grundlage dazu die ursprüngliche Funktion zu erklären und noch vorhandene Spuren der Vergangenheit zu sichern und zu dokumentieren. Gleichzeitig sollen Entwürfe einer öffentlichen Nutzung bürgernah entwickelt werden. Produkt der Projektarbeit soll eine Broschüre sein, die sich an die Kalker und Kölner Öffentlichkeit richtet.“ Die Erklärung, in welcher Form das Projektmotto „Spuren hinterlassen…“ in dem beantragten Projekt zum Ausdruck gebracht wird, lautet im Weiteren wie folgt:
„Das Projekt bringt das Projektmotto, wie eigentlich die gesamte Arbeit der Geschichtswerkstatt Kalk, in doppeltem Sinne zum Ausdruck: Es werden Spuren der Vergangenheit – welche uns gleichsam schon hinterlassen wurden – aufgespürt. Diese werden gesammelt, beschrieben und dokumentiert und schließlich – als Arbeit der Projektbeteiligten – wiederum der Nachwelt hinterlassen. Dennoch soll sich das Projekt nicht nur als rein bewahrendes Unterfangen darstellen. Die Arbeit soll viel mehr auch zum tätigen Handeln anstiften: Das konkrete Objekt, das Gelände des Alten Friedhofes, soll Beachtung und Nutzung erfahren.“
Somit war das Ziel des Projektes, die Herausgabe eines Buches zum Alten Kalker Friedhof, umrissen. Nach Form und Inhalt sollte das Projekt den Friedhof innerhalb seines historischen, kulturellen und sozialen Kontextes beschreiben. Stilistisch sollen Rechercheergebnisse und historische Quellen zu einer fundierten erzählenden Darstellung führen. In gedruckter Form soll eine bebilderte Abhandlung, die auch einzelne Dokumente zeigt, das Ergebnis sein. Unterstützend soll ein Foto- und Dokumentenarchiv angelegt werden. Auf Basis der Forschungsergebnisse und Erhebungen soll schließlich eine Ist-Analyse und Zukunftsprognose für das Areal versucht werden. Unserem Förderantrag konnte die Stiftung KalkGestalten entsprechen und uns einen beachtlichen Betrag zur Finanzierung unseres Projektes zur Verfügung stellen. Dafür bedanken wir uns an dieser Stelle ausdrücklich. Eine weitere Unterstützung erhielt die Geschichtswerkstatt durch Spenden anlässlich des Begräbnisses von Hans Zandovski, einem der Mitbegründer des Vereins. Ihm sei dieses Buch gewidmet.
Eine Erweiterung unseres Themas und eine Bereicherung der Arbeit konnte über die Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Köln erzielt werden. Hier konnten wir schnell sehen, dass die Beschäftigung mit dem Kalker Friedhof aus Sichtweise der Architektur sich wunderbar mit unserer lokalhistorischen Position ergänzt und verbinden ließ. So ist aus dem Geschichtswerkstattprojekt letztendlich eine Gemeinschaftsproduktion mit der Fakultät für Architektur der Fachhochschule Köln geworden, wo Studenten und Studentinnen sich zur gleichen Zeit ebenfalls mit dem Thema Friedhof beschäftigten und deren Arbeiten sich explizit auch auf den alten Kalker Friedhof bezogen. Der Blickwinkel und das Interesse sind jedoch andere, aber das erläutert der Fachmann besser selber. Prof. Dr.-Ing. Michael Werling leitete das Projekt an der FH-Köln.
Köln im Dezember 2008
Eberhard Becker
Die Dokumentation in Text, Bild und Zeichnung wird voraussichtlich im Frühjahr 2008 als Buchdruck erscheinen.